Medizinprodukterechtliche Untersuchung von Nagelkorrekturspangen

9. März 2024

An dieser Stelle möchte ich die Ergebnisse meiner Untersuchung von Nagelkorrekturspangen aus medizinprodukterechtlicher Perspektive mit Ihnen teilen. Die Untersuchung wurde zur Erlangung des Abschlusses Master of Science im Fach Regulatory Affairs an der Technischen Hochschule Lübeck durchgeführt. Die Arbeit wurde am 15.02. mit der Note 1,0 bewertet.

Kontext:
Vor dem Hintergrund der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR) in Verbindung mit der seit Juli 2022 bestehenden Verordnungsfähigkeit von Nagelkorrekturspangen hat sich der Rechtsrahmen für die Anwendung dieser Art von Medizinprodukten massiv verändert. Für Podologen gehen damit neue Verantwortlichkeiten einher, von denen vielen Angehörigen dieses Berufsstands nicht bekannt sind.

Ziele:
Das Ziel war es, den medizinprodukterechtlichen Status von Nagelkorrekturspangen in diesem neuen Rechtsrahmen zu untersuchen. Dabei war es interessant, eine Analyse der auf dem Markt befindlichen Produkte hinsichtlich der zulässigen Einsatzgebiete durchzuführen, die sich aus den regulatorischen Anforderungen des Medizinprodukterechts ergeben. Darüber hinaus sollte festgestellt werden, welche Pflichten aus dem Medizinprodukterecht sich für Anwender von Nagelkorrekturspangen ergeben, die über die Anforderungen aus dem GKV-Vertrag hinausgehen, und wie diese umgesetzt werden.

Methodik: 
Zunächst wurde eine rechtliche Einschätzung der auf dem Markt befindlichen Nagelkorrekturspangen vorgenommen. Bei Unklarheiten bezüglich des regulatorischen Status eines Produkts wurde der Hersteller kontaktiert, um diese aufzulösen. Auf der Grundlage dieser rechtlichen Einschätzung wurde eine Umfrage unter Podologen (n = 395) mithilfe eines Fragebogens durchgeführt. Aus den gewonnenen Erkenntnissen hinsichtlich des Rechtsrahmens, der Marktanalyse und des Fragebogens wurde die medizinprodukterechtliche Situation von Nagelkorrekturspangen in der Podologiebranche bewertet. 

Ergebnisse: 
Aus Art. 2 Nr. 3 MDR i.V.m. MDCG 2021-3 Nr. 1 Note 1 lässt sich ableiten, dass Nagelkorrekturspangen als anpassbare Medizinprodukte eingestuft werden. Diese werden als reguläre Medizinprodukte auf den Markt gebracht, müssen jedoch vor Ort am Patienten ("at the Point of Care") an die anatomisch-physiologischen Merkmale des Patienten angepasst werden. Damit gelten für Nagelkorrekturspangen die Anforderungen des § 9 MPDG hinsichtlich besonderer Dokumentationspflichten für die Anwender. Eine Analyse der öffentlich zugänglichen Informationen von Herstellern, Berufsverbänden, GKV und Bildungseinrichtungen zeigt, dass diese seit 2021 geltenden Pflichten in der Branche vollständig unbekannt sind. Auch bei der Befragung der Podologen selbst zeigen sich deutliche Defizite bei der Beurteilung des rechtlichen Status der Spangen und den damit einhergehenden Pflichten. Nur 32,7 % schätzten diese korrekt als angepasste Medizinprodukte ein. Lediglich 18,7 % der Teilnehmer setzen die Dokumentationspflichten vollständig um, und 93,4 % verstoßen gegen die Pflicht, dem Patienten eine Medizinproduktedokumentation auszuhändigen. 

Bei der Analyse der auf dem Markt befindlichen Spangen zeigten sich teils fragwürdige regulatorische Entscheidungen. Von drei dazu befragten Herstellern ging nur einer auf die Fragen ein und konnte die Unklarheiten beseitigen. Generell zeichnen sich die Hersteller von Nagelkorrekturspangen teilweise durch unzureichende öffentliche Informationen aus, die es dem kritischen Kunden erschweren, eine geeignete Spange auszuwählen.

Implikationen:
Die Bewertung des medizinprodukterechtlichen Status von Nagelkorrekturspangen und die darauf basierende Erhebung des Wissensstands der Podologen zeigen, dass im Bereich der Podologie ein signifikantes Wissensdefizit bezüglich des Medizinprodukterechts und der damit verbundenen Dokumentationspflichten besteht. Dieses Defizit beeinflusst die Fähigkeit der Podologen, Nagelkorrekturspangen rechtskonform anzuwenden und dies zu dokumentieren. Die Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich müsste verbessert werden, um sicherzustellen, dass Podologen korrekt mit Medizinprodukten umgehen können. Es wird ebenso deutlich, dass es an klaren Richtlinien und standardisierten Verfahren für die Dokumentation im Einklang mit dem MPDG fehlt, was zu Unsicherheiten in der praktischen Anwendung führt. In der Verantwortung, den Wissensstand zu verbessern, sind insbesondere Berufsverbände, Krankenkassen und Bildungsträger wie Ausbildungsstätten und Weiterbildungsanbieter. Diese berücksichtigen die Dokumentationspflichten derzeit in keiner Weise.



Der Volltext kann für alle Interessierten als e-book oder gedruckte Version bei Grin bezogen werden:


https://www.grin.com/document/1452430


09 März, 2024
An dieser Stelle möchte ich die Ergebnisse meiner Untersuchung von Nagelkorrekturspangen aus medizinprodukterechtlicher Perspektive mit Ihnen teilen.
Eine Statue der Justizia
31 Aug., 2023
In diesem Artikel finden Sie eine Auflistung der Hygieneverordnungen der Länder für den niedergelassenen Bereich und eine Erklärung der wesentlichen Unterschiede.
25 Juli, 2023
Was ist die Folge, wenn Angehörige von Heilberufen Produkte, die keine Medizinprodukte sind, für Gesundheitsbehandlungen am Patienten einsetzen?
08 März, 2023
Die KRINKO-BfARM-Empfehlung, deren Einhaltung eine ordnungsgemäße Aufbereitung gem. §1 (2) MPBetreibV vermuten lässt, macht klare Vorgaben zur Wirksamkeit von Desinfektionsverfahren. Insbesondere bei der manuellen Desinfektion zeigt sich eine Tücke, die bei vielen Betreibern vermutlich nicht genug Beachtung findet.
25 Jan., 2023
In besonderen Situationen ist es manchmal nicht möglich, medizinische Instrumente selbst aufzubereiten – sei es weil der Sterilisator defekt ist oder in der Praxis umgebaut wird. Ist es dann ohne weiteres möglich, die Aufbereitung einfach von einer anderen Praxis oder einem Dienstleister durchführen zu lassen?
von Sascha Ruß 27 Apr., 2022
In welchem zeitlichen Zusammenhang sollten Wartung und Validierung stehen, um den Anforderungen zu entsprechen?
von Sascha Ruß 18 Mai, 2021
Ist nach einer längeren Validierungspause eine Erstvalidierung notwendig?
von Sascha Ruß 02 März, 2021
Ist die Validierung von Heißsiegelprozessen vorgeschrieben?
von Sascha Ruß 18 Feb., 2021
In welchen Abständen sind Reinigungs- und Desinfektionsprozesse zu validieren?
von Sascha Ruß 07 Feb., 2021
In welchen Abständen sind sonstige Sterilisationsprozesse zu validieren?
Show More
Share by: