Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Frage nach welcher Norm eine Raumlufttechnische Anlage (RLTA) für OPs geprüft werden muss, ließe sich normalerweise sehr einfach beantworten. Die Norm selbst gibt die Antwort:
"Diese Norm gilt für den Betrieb der RLT-Anlagen nur dann, wenn sie nach dieser Norm geplant, gebaut und abgenommen wurde."
Zu finden ist diese Aussage in der DIN 1946-4 Kapitel 1 "Anwendungsbereich" (Versionen 2008 und 2018). Die Ausgabe von 1999 zieht den Kreis noch deutlich weiter und nimmt für sich in Anspruch, für alle Räume zu gelten, die den Anforderungen der Norm entsprechen bzw. "[...] an die die gleichen Anforderungen gestellt werden [...]."
Was schließen wir nun aus der Aussage der Norm zu ihrem Anwendungsbereich? Die Aussage der aktuellen und vorherigen Normversion könnte so ausgelegt werden, dass die Qualifizierung anhand der in der Norm formulierten Prüfungen nur dann erfolgen könne, wenn der OP nach dieser Norm gebaut wurde. Muss eine Altanlage nach der damals geltenden Norm geprüft werden, weil neuere Normen nicht anwendbar sind? Normen werden erneuert, um sie an den Stand der anerkannten Regeln der Technik anzupassen. Dies muss geschehen aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und technischer Entwicklungen, die sich im Laufe der Zeit ergeben. Insofern wäre es fahrlässig, ein Medizinprodukt zur Herstellung keimarmer bzw. steriler Luft nach jahrzehntealten Normen mit einem veralteten Stand der Technik zu qualifizieren. Krankheitserreger richten sich nicht nach der Normversion der RLTA.
Dem ein oder anderen Betreiber dürfte diese Handhabung aber widerstreben, ist die Anwendung einer neueren Normversion doch i.d.R. mit umfangreicheren Prüfungen verbunden. Doch dies kann auch nicht Grundlage einer Entscheidung im Sinne des Patienten sein.
Zum Weißdruck der DIN 1946-4:2008 veröffentlichte der Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen (AMEV) 2009 die "AMEV-Empfehlung für die neue DIN 1946-4", die zum Thema Anpassungspflicht folgendes beitrug:
"Die Norm enthält keine Anpassungsverpflichtung für bestehende RLT-Anlagen (Bestandsschutz)."
Demzufolge müssen bestehende OPs nicht baulich angepasst werden, wenn eine neue Normversion veröffentlicht wird. Was aber ist mit der Abnahmeprüfung?
"Anforderungen an vorhandene RLT-Anlagen aus medizinischer Sicht können nur von den zuständigen Gesundheitsbehörden auf der Grundlage gesundheitsrechtlicher Vorschriften getroffen werden. Für den Betrieb ist die Norm dann anzuwenden, wenn die RLT-Anlagen nach dieser Norm geplant, gebaut und abgenommen wurden."
Der AMEV stellt sich also ebenso auf den Standpunkt, dass eine Requalifizierung bestehender Anlagen nach der bei Bau und Erstabnahme geltenden Norm zu erfolgen hat. In der alltäglichen Praxis wird dies in aller Regel auch genau so angewendet. Das kann man aus hygienischer Sicht durchaus kritisieren. Hier ist es an den Gesundheitsämtern und Regierungspräsidien, die hygienisch-technischen Risiken einer Bestandsanlage zu bewerten und ggf. einzuschreiten und die erwähnten Anforderungen aus medizinischer Sicht zu stellen.